Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, nennen wir ihn Paul, hat Schwierigkeiten mit dem formalen Selbstlernen. Die Bearbeitung von E-Learnings, Lernvidoes und Lernskripten ist nicht Seins. Nun kommt die Personalentwicklerin, nennen wir sie Claudia, zu ihm und möchte Selbstlernen im Rahmen von Blended Learning strukturiert einführen. Dafür benötigt sie ein Budget. Paul geht in seinen liebsten Modus, den Blockade-Modus. „Das klappt nicht. Das will keiner. Das braucht keiner. Die Leute sollen Seminare besuchen, aber bitte nur gelegentlich.“ Gönnerisch gibt er Claudia noch zu verstehen: „Wenn es nicht viel kostet und am Ende Weiterbildungskosten einspart, kannst du dich etwas damit beschäftigen“.
Zum Glück sind derart krasse Pauls nicht so häufig. Aber es gibt sie. Und in einer kleineren Ausgabe sind sie dann doch nicht so selten: „Wenn wir schon sparen müssen, dann an der Weiterbildung, ist doch in erster Linie ein Incentive-Geschäft, das keinen großen geschäftlichen Nutzen bringt“.
Die Pauls dieser Welt, sowohl der große Paul aus der Geschichte, also auch die vielen kleinen Pauls, machen eine ganze Reihe von Denkfehlern.
- Es gibt in der Tat viele Menschen, die sich mit Selbstlernen und der damit verbundenen Selbstverantwortung für das Lernergebnis schwer tun. Aber – man kann auch Selbstlernen und Selbstorganisation lernen. Paul trifft seine Entscheidung auf einer persönlichen Erfahrung, mit der er sich nie wirklich auseinandergesetzt hat.
- Selbstlernkompetenz bewirkt unter anderem, dass man sehr personalisiert lernen kann. Ballast, den man in Seminaren aufs Auge gedrückt bekommt, fällt weg. Wenn eine Selbstlernkultur im Unternehmen vorliegt, lernen die Mitarbeitenden das, was sie brauchen, formal und informell. Damit spart man Weiterbildungszeit und optimiert gleichzeitig die Lernergebnisse. Paul sieht den großen Nutzen von funktionierendem Selbstlernen nicht.
- Gutes Blended Learning mit einem entsprechenden Selbstlernanteil ist kein Kostentreiber, sondern ein Gewinntreiber. Da der so wichtige Lerntransfer direkt in das Blended Learning integriert werden kann, gibt es mit Unterstützung des Trainers noch während der Weiterbildung gewinnbringende Transferergebnisse. Weiterbildung ist damit alles andere als ein „Incentive-Geschäft“.
- Eine umfassende und gute Selbstlernkultur beschleunigt den Aufbau von Kompetenzen, was Auswirkungen auf die Schnelligkeit z.B. bei der Entwicklung und Bereitstellung von Produkten, der Erbringung von Dienstleistungen, etc. hat. Damit gewinnt man Wettbewerbsvorteile – oder man überlässt dem Mitbewerber das Feld der Geschwindigkeit.
Paul wäre gut beraten, nicht von seinen Erfahrungen im Selbstlernen auf das Nichtfunktionieren des Selbstlernens im Allgemeinen zu schließen. Stattdessen sollte er seine Erfahrungen einfließen lassen in eine unternehmensweite Lernstrategie, die Selbstlernen Schritt für Schritt in das Unternehmen integriert und dabei die Mitarbeitenden mitnimmt. Eine Blockadehaltung ist ein schlechter Ratgeber, denn Unternehmen brauchen kompetente Köpfe, und die bekommt man nicht zum Nulltarif.
Lernende Grüße aus dem Rheinland
Konrad Fassnacht
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