Articulate Rise als Bestandteil von Articulate 360 ist ein tolles E-Learning-Tool, das ich selbst gerne einsetze. Es ist in der Anwendung ziemlich einfach, so dass es inzwischen eine weite Verbreitung gefunden hat. Entsprechend erhalte ich häufig mit Rise erstellte E-Learnings zur Begutachtung. Leider ist das Ergebnis oft ernüchternd. Die Ersteller sind in eine der Rise-Fallen getappt. Aber es gibt Mittel, diesen Fallen zu entgehen.
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Vor vielen Jahrzehnten habe ich durch einen klassischen Fernkurs das Abitur nachgeholt. Die Lernmaterialien bestanden in wesentlichen Teilen aus gedruckten Lernheften, auch Lehrbriefe oder Studienbriefe genannt, die entsprechend per Post ins Haus flatterten. Manche dieser Lernhefte waren zum „weglesen“, anderen waren qualitativ richtig gut. Man erkannte schnell die exzellenten Autoren und die, die es nicht draufhaben. Später lernte ich in einem „Diploma in Distance Education“, wie man richtig gute Lerntexte schreibt.
Heute, Jahrzehnte später, sind klassische Lernhefte bei manchen Themen immer noch das richtige Medium. Auf der anderen Seite lässt sich sehr viel mit E-Learning in Form von Web Based Trainings besser und gezielter abbilden. Und dazwischen sind E-Learnings, die diese beiden Welten der klassischen Lernhefte und des multimedialen Lernens verbinden. Hier kommt Articulate Rise ins Spiel. Rise ist ein Tool, mit dem man auf einfache Art und Weise derartige hybride E-Learning-Materialien erstellen kann. Doch jetzt wird es gefährlich. Eben weil es so einfach ist, setzen sich viele an den Rechner und hämmern los. Dann baut man noch kleine Interaktionen oder Tests ein, und fertig. Schaut man das Ergebnis an, erkennt man, dass die Rise-Fallen wieder zugeschlagen haben.
Sehen wir uns also die wichtigsten Rise-Fallen an.
Falle 1: Die zugrundeliegenden Lerntexte sind Fachtexte und als solche zum Lernen nicht wirklich geeignet.
Gute Lerntexte zeichnen sich durch didaktische, methodische und schriftstellerische Kompetenzen der Autorin bzw. des Autoren aus. Sie müssen die Lernenden durch das Lernmaterial durchführen, sie zum Reflektieren animieren, ihnen das Gefühl geben, die Materialien nicht allein zu bearbeiten, sondern einen Trainer oder Lehrer an ihrer Seite sitzen zu haben. Dazu gehören aber auch stilistische Mittel wie z.B. einfacher Satzbau, kurze Sätze, bildhafte Sprache, Spannungsaufbau und vieles mehr.
Tipp: Baue deine Kompetenz zum Schreiben von Lerntexten aus und mache stilistisch eine klare Trennung zu Fachtexten, die mehr informieren als lehren.
Falle 2: Die vielen medialen Möglichkeiten, die Rise bietet, wie z.B. Interaktivitäten, Tests, Quizze und multimediale Elemente, etc. werden unreflektiert eingesetzt.
Die Anwendung von Rise ist ziemlich einfach. So ist z.B. die Integration eines Multiple-Choice-Tests, einer Sortierübung oder eines Videos technisch keine Hexerei. Gerade diese Einfachheit, eventuell gepaart mit Zeitdruck, verführt jedoch dazu, diese Elemente unreflektiert einzubauen. Und schon hat man ein buntes, nett anzuschauendes Kuddelmuddel, das dem Lernenden das Leben schwer macht.
Tipp: Um dieser Falle zu entgehen, empfehle ich eine Vorgehensweise in drei Schritten. Zunächst geht es um das Festlegen präziser Lernziele. Diese helfen dir, die richtigen Entscheidungen zum Medieneinsatz zu treffen. Überlege dir im zweiten Schritt, was du tun kannst, damit die Lernenden die Lernziele bestmöglich erreichen. Dies führt dich zum richtigen Einsatz der medialen Elemente. Lege dann im dritten Schritt die Überprüfung fest, ob die Lernziele erreicht worden sind. Damit findest du die richtigen Tests und Quizze.
Falle 3: Rise hat seine Grenzen. Was mit den Rise-Funktionen nicht umsetzbar ist, wird entweder nur schriftlich entwickelt, oder es wird ganz weggelassen.
Diese Falle hat zur Folge, dass das Lernmedium entweder nicht vollständig ist oder es ist zu schwerfällig. Manche behelfen sich damit, auf ein Webinar zu verweisen. Originalzitat aus einem Rise-E-Learning: „Diese Inhalte werden im nächsten Webinar vermittelt.“ Damit versetzt man der multiplen Einsetzbarkeit des Rise-E-Learnings den Todesstoß: es ist ohne Webinar nicht mehr nutzbar.
Es gibt jedoch ein anderes Tool im „Articulate-Zoo“, nämlich Articulate Storyline. Klar, Storyline ist komplexer in der Anwendung und schwerer zu erlernen. Aber damit lassen sich die Grenze von Rise überwinden und Dinge entwickeln, die in Rise nicht gehen. Schick daran ist, dass man Storyline-Komponenten ganz einfach in Rise integrieren kann. Und schon kann man Dinge machen, die in Rise nicht gehen.
Tipp: Schau‘ dir an, was Storyline bietet, und arbeite dich Schritt für Schritt auch in dieses Tool ein. Es ist wie Rise Bestandteil von Articulate 360. Und falls es dir selbst zu komplex ist, dann findest du in deinem Unternehmen oder in deinem Netzwerk sicher jemand, der dir mal so ein kleines Storyline-Nugget bauen kann.
Fazit:
Rise ist ein sehr gutes Tool, um Materialien zum Selbstlernen zu entwickeln. Allerdings solltest du gewisse didaktische, methodische und schriftstellerische Kompetenzen haben, um dieses Tool voll auszureizen. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob ein klassisches Lernskript ausreicht oder ob man ein Web Based Training baut oder ob man eben ein hybrides
Rise-E-Learning entwickelt. Am Ende geht es darum, dass deine Lernenden Spaß daran haben und dein E-Learning gerne und erfolgreich bearbeiten.
Lernende Grüße aus dem Rheinland
Konrad Fassnacht
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